Was haben wir alle gemeinsam? Wir wurden geboren. Und bevor es soweit war, haben uns unsere jeweiligen Mütter um die 9 Monate im Bauch herumgetragen. Wo Mutter damals war, da waren auch wir. Was Mutter gedacht hat: wir waren mit dabei. Was sie gefühlt und erfahren hat: 9 Monate haben wir dies miterlebt.
Der wesentliche Unterschied zu uns heute als Erwachsene ist allerdings neben der Körpergröße ein ganz anderer: Baby im Bauch von Mutter hat kein eigenes Bewusstsein. Das ist sehr entscheidend! Baby im Bauch von Mutter denkt nicht. Es bildet sich keine Meinung. Baby denkt nicht „Den Gedanken von Mutter sehe ich anders.“ Oder „Also wenn ich mal groß bin, dann mache ich das aber anders!“. Sondern Babys Bewusstsein unterscheidet sich nicht von Mutters. Das Bewusstsein ist eins mit Mutters. Mutter trifft Entscheidungen, die Baby bereits in einem so jungen Alter entscheidend prägen und die in seinem Unterbewusstsein festgehalten werden. Baby verfügt aber nicht über ein eigenes Reflektionsvermögen in dieser Zeit.
Wissenschaftlich spricht man von der sogenannten Epigenetik. Das epigenetische Gedächtnis von Müttern prägt nachfolgende Generationen ¹.
Ich gehe davon aus, dass die Geburt die 1. Krise im Leben eines Menschen darstellt. Wichtig: nicht das 1. Trauma. Eine Geburt ist kein Trauma (kann allerdings unter bestimmten Bedingungen für Mutter und somit für Baby traumatisch werden). Während der Geburt bilden sich sogenannte "Krisenmuster", d.h. um eine Krise zu überwinden, müssen bestimmte Erfahrungen gemacht werden. In der Regel sind uns diese Abläufe nicht bewusst. Durch die Bearbeitung der eigenen Geburt holen wir sie in unser Bewusstsein. Auch hier arbeite ich nicht mit Trance- oder Hypnosezuständen. Das ist gar nicht nötig, weil dein Unterbewusstsein ja immer mit dabei ist – auch jetzt gerade – und alles abgespeichert hat, wie ein Tonbandgerät. Auf dieses greifen wir zu und arbeiten einmal die Geburt durch. Dies ist übrigens nicht schmerzhaft, also die Wehen z.B. werden nicht nachempfunden.
Wir arbeiten also in der Geburt und sehen uns an, welche Situationen Mutter bei der Geburt durchlaufen hat:
Es entsteht praktisch eine Kette an Erfahrungen, eine sogenannte Geburtsmusterkette.
Diese Erfahrungen bewusst zu machen, hilft uns dabei, uns selbst und unsere Empfindungen besser zu verstehen.
Vielleicht fühlen wir uns selbst ja auch abgelehnt in dieser Welt? Oder „falsch“. Oder wir denken, wir sind "immer zu spät dran"?
Wenn wir an der Geburt arbeiten und z.B. erkennen, dass die Reaktion des Arztes nichts mit Baby zutun hat, sondern mit dem Tag des Arztes, mit seiner Persönlichkeit oder einfach damit, dass er einen langen Arbeitstag hatte, dann kann sich für den Erwachsenen heute viel verändern. Der Blick auf die Welt und auch auf sich selbst kann sich stark verändern. Er merkt dann, dass die Erfahrungen seiner Mutter gar nicht seine Erfahrungen sein müssen. Nur weil Mutter sich auf eine bestimmte Art verhalten hat, muss er das heute ja nicht übernehmen.
Die Arbeit der eigenen Geburtserfahrungen ist ein Bestandteil einer Einzeltherapie bei mir.
1. Santavirta T, Santavirta N, Gilman SE: Association of the World War II Finnish Evacuation of Children With Psychiatric Hospitalization in the Next Generation. JAMA Psychiatry. 29 November 2017. doi:10.1001/jamapsychia try.2017.3511;
Zenk F, Loeser E, Schiavo R, Kilpert F, Bogdanović O, Iovino N,Germ line–inherited H3K27me3 restricts enhancer function during maternal-to-zygotic transition. Science; Vol. 357, Issue 6347, pp. 212-216; July 14th, 2017 (DOI: 10.1126/science.aam5339);
Studien der Schweizer Neurobiologin Isabelle Mansuy, nachulesen z.B. unter https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/krankheiten/stress/stress-vererbung-100.html